Moin! Ich komme gerade von der Schafweide und habe mich ziemlich aufgeregt. Meine Mutter (ich habe euch noch nie von meiner Mutter erzählt), ein uraltes Schaf, ist auch immer noch da. Meistens frisst sie friedlich ihr Gras und ich meins. Aber manchmal, da käut sie olle Kamellen aus ihrem Leben wieder, und ich bin total genervt. Ich vermute mal ganz stark, dass jeder mal genervt ist über seine Angehörigen, egal, ob Mutter, Vater, Schwester, Onkel… der Eine mehr, der Andere weniger.
Volker ist jemand, den das Thema Familie, insbesondere sein Vater, aber nun gar nicht mehr loslässt. Und das, obschon sein Vater bereits fast zehn Jahre tot ist. Volker hat mir von seiner Kindheit bzw. Jugend erzählt, und ich muss zugeben, er hat es nicht leicht gehabt. Der Vater war wohl ziemlich streng, es gab nicht viel Geld, Volker musste oft sehen, wo er bleibt. Und dass Volker trotzdem eine gute Berufsausbildung und damit seinen Weg gemacht hat, hat den Vater wohl auch nicht sonderlich beeindruckt. Zumindest empfand Volker es so. Und darunter leidet er noch immer und ist noch immer voller Zorn und Verbitterung.
Das Problem ist nur, dass es Volker daran hindert, im Jetzt und Hier glücklich zu sein. Was also tun? Zu sagen „alles Schnee von gestern“ wird ihm nicht helfen. Da er die Sache ohnehin ständig wiederkäut, müssen wir dafür sorgen, dass er sie nun endgültig verdaut. Das ist natürlich leichter gesagt als getan.
Mit Verbitterung kommt Volker aber nicht weiter. Vielmehr muss an die Stelle von Verbitterung Versöhnung treten. Gern möchte ich ihm dabei helfen. Wir werden gemeinsam Fragen nachgehen wie beispielsweise, ob der Vater vielleicht Gründe für sein Handeln hatte. Vielleicht konnte er damals nicht anders? Es wäre schön, wenn dadurch Volkers Wunden heilen. Das heißt aber nicht, dass er all seine Gefühle nur wegdrücken soll. Im Gegenteil: Es könnte helfen, alles noch einmal herauszulassen, zum Beispiel in Form eines Briefs an den Vater. Ich kenne ein paar solcher Methoden und hoffe, sie helfen Volker, endlich zur inneren Ruhe zu kommen.
Und nun muss ich zurück zu meiner Mutter. Erzählt ihr aber nicht, dass ich euch verraten habe, dass sie mich manchmal nervt!
Eure Bernadette