Ein unwürdiger Partner

Moin Moin!
Es gibt ja Männer, die mit einem allzu großen Selbstbewusstsein gesegnet sind. Sie fühlen sich wie Gottes Geschenk an die Menschheit, insbesondere die Frauenwelt sollte dankbar sein, dass es echte Kerle wie sie gibt. Vor allem wir weiblichen Geschöpfe wissen ein Liedlein über solche Herren zu pfeifen.

Leider gibt es aber auch Männer, die das Gegenteil sind: Sie haben Minderwertigkeitsgefühle, sind unsicher und trauen sich nicht. Ich habe einen solchen Klienten. Er heißt Lorenzo. Lorenzo ist Italiener, 41 Jahre alt und lebt seit seinem elften Lebensjahr in Deutschland. Er hat somit italienische Wurzeln und Familienangehörige, ist aber genauso bereits in der deutschen Kultur angekommen. Womit er sich allerdings schwer tut, ist, Frauen kennenzulernen. Lorenzo hat einen großen Makel – bzw. er meint, einen großen Makel zu haben: Er ist nicht besonders groß.

Nun hat er eine Frau kennengelernt, Andrea. Sie ist Deutsche, und sie ist intelligent, stark, sehr eigenständig und eloquent – eine tolle Frau – aber sie ist auch ein ganzes Stück größer als er. Und nun fühlt er sich insgesamt betrachtet „Andreas nicht würdig“, wie er es ausdrückt. Er fühlt sich klein, minderwertig, ihr nicht gewachsen und als Person nicht ausreichend. Er hat Angst, ausgelacht zu werden, zunächst von Andrea, aber auch von seiner Familie und seinen Freunden. Er könne schlecht mit der „grande donna“ aus Deutschland auftauchen und daneben wie ein trotteliger Zwerg wirken.

Ich habe Lorenzo gefragt, wie er sich denn mit Andrea versteht. „Wir verstehen uns gut“, meinte er. Und auf meine Frage, ob der Kontakt denn vor allem von ihm ausgehe, oder ob Andrea auch umgekehrt Kontakt zu Lorenzo suche, meinte er, dass sie sich auch immer wieder bei ihm melde.

„Das ist doch zunächst einmal sehr elementar! Wenn du den Eindruck hast, dass Andrea an dir genauso interessiert ist wie du an ihr, dann sind doch all die anderen Dinge wie Größe oder Freunde, die vor allem in machohaften Klischees denken, unwichtig!“, sagte ich zu ihm. Darüber dachte er eine Weile nach. „Aber wie wird es dann weitergehen? Ich möchte ja,  – gesetzt den Fall, es klappt mit Andrea und mir – dass auch meine Familie und meine Freunde meine Frau akzeptieren“, wandte er ein. „Glaube mir, Lorenzo, wenn du und Andrea wirklich ein Paar werdet und ihr euch versteht, dann werden die anderen das auch ziemlich bald akzeptieren. Du musst dir klar werden, welche Art von Partnerschaft du leben möchtest. Welche Werte sind dir in einer Beziehung wichtig? Geht es um Vertrauen, Liebe und Zuneigung, um ähnliche Interessen und um gemeinsame Lebensfreude? Oder geht es vor allem darum, den Ansprüchen von Dritten oder dem äußeren Anschein wie z.B. zueinander passende Größe zu genügen?“

Grübelnd ist Lorenzo an dem Tag nach Hause gegangen. Ich denke, er wird noch ein wenig Mut brauchen, aber ich hoffe, dass ich ihm einige Zweifel nehmen konnte. Toi toi toi, dass du Andreas Herz bald erobern kannst. Das ist doch das Allerwichtigste! Und dann: amore!

Apropos amore: Ich trabe mal flugs heim zu meinem Gustav!
Eure Bernadette

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