Fastfood, Ficken, Fernsehen

Um Himmels Willen! Als der achtjährige Tom neulich vom Spielen nach Hause kam, rülpste er zunächst, sagte zu seinem Vater „chill mal deine Base, Alter“, und als dieser wütend wurde, fügte Sohnemann noch ein „Fick dich“ hinzu. Martha ist entsetzt! Woher hat der bislang relativ brave Junge diese Wörter? Das Rätsel löste sich bald auf: Der neue Schulkamerad, mit dem sich Tom schnell angefreundet hatte, hat diesen Slang drauf.

Das passt Martha aber gar nicht! Ziemlich aufgeregt saß sie mir dann in meiner Sprechstunde gegenüber. „Und nicht nur, dass er diese unsäglichen Wörter benutzt, nein, Bernadette, zu allem Überfluss haben die beiden den ganzen Nachmittag Chips gefuttert und dabei dämliche Videospiele gespielt. Ich möchte nicht, dass Tom so etwas tut. Ich lege Wert auf gesundes Essen und pädagogisch anspruchsvolle Freizeitbeschäftigung. Der neue Freund tut meinem Sohn nicht gut“, schnaubte sie und fuchtelte wild mit den Armen umher.

„Chill mal, Alte“ – hätte ich fast gesagt. Was ich natürlich nicht tat, denn ich nehme ja Martha und ihre Sorgen ernst. Aber aus Erfahrung weiß ich, dass solche Freundschaften zwar zu Anfang ihren Reiz haben, dass Tom aber, weil er selber ganz anders aufwächst, nicht dauerhaft selber zu einem Rüpel werden wird. „Entspanne dich, Martha“, habe ich also gesagt. „Tom ist schon acht Jahre alt, und der Neue ist nur eines von vielen anderen Kindern, die er inzwischen kennt und noch kennenlernen wird. Ich schätze, dieser neue Freund übt einen ungeheuren Reiz auf ihn aus, so ähnlich wie Huckleberry Finn auf Tom Sawyer in den berühmten Romanen: den Reiz des Grenzenüberschreitens und des scheinbar alles Erlaubtseins, des Coolseins und natürlich den des Erwachsenenschockierens. Ich denke aber, dass dieser Reiz nicht dauerhaft anhalten wird“, versuchte ich Martha zu beruhigen.

„Ich möchte so etwas aber nicht bei mir zuhause haben!“, bekräftigte sie noch einmal. „Das musst du auch nicht dulden. Du kannst Tom ganz klar sagen: Bei uns nicht! Aber vielleicht gibst du ‚Huckleberry Finn‘ eine Chance, indem du ihn einmal zu euch einlädst. Da wird es dann keine Chips und keinen ganzen Tag vor der Glotze geben: dein Haus, deine Regeln!“ „Meinst du, ich soll das wagen?“; fragte mich Martha. „Ja, das kannst du ausprobieren. Wir alle lernen verschiedene Charaktere im Laufe unseres Lebens kennen, und auch damit muss Tom umgehen können. Und vielleicht ist der Freund am Ende doch noch zu etwas gut? Er könnte immerhin als abschreckendes Beispiel dienen“, schmunzelte ich.

So, ich muss jetzt Schluss machen. Ich möchte nämlich noch etwas schmökern: Ich habe Tom Sawyer und Huckleberry Finn aus dem Bücherregal gefischt. War doch immer toll, was die beiden Lauser da ausgefressen haben, finde ich! Chillt schön! Bis zum nächsten Mal, Leute!

Eure Bernadette

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