Das Kameradenschwein

Bernadettes Schaf-Blök

Moin!
Wie geht’s euch? Die Sommerferien sind vorbei, und kaum ist eine Woche rum, hat der Alltag alle wieder fest im Griff. Manchmal so fest, dass es weh tut. Eine junge Klientin hat sich bei mir Rat gesucht. Vor den Sommerferien ist etwas passiert, das sie nun wieder einholt:

Es sollte eine Mathematikarbeit in der Klasse 9a geschrieben werden. Die Lehrerin hat versehentlich die Testfragen auf dem Pult liegen lassen, und ein paar Schüler haben sie abfotografiert, während die Lehrerin zur Toilette gegangen ist. Irgendwie hat die Dame dies spitzgekriegt und hat die Klasse gefragt, was im Busche ist. Insa, meine junge Klientin, hatte mit der Angelegenheit nichts zu tun. Da sie als ehrliche Haut gilt, hat die Lehrerin sie vor die Tür geholt und befragt. Insa hat zwar gebeichtet, was geschehen ist, nannte aber keine Namen. Daraufhin gab es natürlich einen fürchterlichen Ärger für die gesamte Klasse. Das Schlimme für Insa ist, dass sie seither als Kameradenschwein und Petze gilt. Das macht ihr sehr zu schaffen. Das Ganze Drama ist noch vor den Sommerferien passiert, und selbst jetzt wird ihr das „streberhafte Verhalten“ ständig aufs Brot geschmiert.

Wie soll sie jetzt damit umgehen? Zunächst einmal möchte ich einmal ganz klar sagen, wie doof ich die ganze Situation finde. Die Lehrerin ist doch vollkommen bescheuert. Wie kann man als Pädagogin die Testfragen einer Klassenarbeit offen herumliegenlassen und dann zur Toilette gehen? Wie dämlich kann man sein? Im Grunde sollte diese Koryphäe der Pädagogik sich selber in den Allerwertesten treten. Und um dann noch Eins draufzusetzen, holt sie eine als „brav“ bekannte Schülerin nach draußen, um diese in einen Gewissenskonflikt zu bringen. Das macht mich richtig wütend! Eigentlich hätte die Studienrätin – hätte sie etwas Stil gehabt – lauthals lachen müssen und sich „selber dumm“ schelten müssen, die Sache abhaken und eine andere Mathematikarbeit aus dem Hut zaubern müssen. Der zusätzliche Aufwand wäre ihr Lehrgeld gewesen.

Dass die anderen Schüler, also die Betrüger, ihre Eigenverantwortung nicht einsehen, liegt in der Natur der Sache. Wenn sie ehrlich wären, würden sie sich eingestehen, dass sie etwas Unrechtes tun wollten, nämlich mogeln. Aber wenn sie ehrlich wären, hätten sie die Klassenarbeit auch nicht abfotografiert. Aber – und damit bin ich wieder bei der Lehrerin – „und führe uns nicht in Versuchung…“

Nun gut, was nützt das alles Insa? Das ist eine verdammt schwer auszuhaltende Situation, zumal für die 14 Jahre, die sie erst alt ist. Gleichaltrige können insbesondere in der Pubertät grausam in ihrem Urteil sein. Ich kann ihr nur Folgendes raten: Sie sollte sich vor Augen halten, dass den Bockmist – und dazu stehe ich – in erster Linie die Lehrerin gemacht hat. Im Grunde hat Insa somit einen idiotischen Fehler mitsamt den Konsequenzen – nämlich dem Betrugsversuch durch ihre Mitschüler – aufgedeckt. Das ist eigentlich sehr mutig, und Insa hat große Charakterstärke bewiesen. Sie ist ein Mädchen, das zu Werten wie Ehrlichkeit und Offenheit steht und sogar taff genug ist, dies auch vor allen anderen zu sagen – ohne aber Namen zu verraten. Das war stark!

Denk einmal darüber nach, Insa! Die anderen werden die Angelegenheit bald vergessen haben. Und wenn dich die Gedanken quälen, stell dir einfach vor, wie die Lehrerin sich insgeheim vor Wut auf ihre eigene Dummheit die Haare gerauft hat. Sie hat allerdings nicht denselben Mut bewiesen wie du, sie hat dich die Sache ausbaden lassen. Ich wünsche dir, dass es zumindest einige Mitschülerinnen und Mitschüler gibt, die dies genauso sehen. Du hättest es verdient!

Deine Bernadette!

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