Monika findet sich zu dick

Moin! Viel Zeit habe ich heute nicht, denn ich muss gerade Gras fressen. Wir Schafe tun ja den ganzen Tag nichts anderes, und da ich nebenbei auch noch euch Menschen berate, muss ich meine Grasration nachholen. Aber der Vorteil bei uns Schafen ist, dass wir trotzdem immer unser Idealgewicht halten. Kunststück, im Gras ist ja auch kaum Zucker oder Fett enthalten.

Ich weiß aber sehr wohl, dass nicht alle Menschen das Gewicht haben, das für sie ideal wäre. Der eine ist zu dünn, manch einer ist zu dick. Wieder andere meinen nur, sie wären zu dick, sind es aber gar nicht. Seit kurzer Zeit besucht mich Monika in meiner Sprechstunde. Monika hat einen relativ anspruchsvollen Job: Sie ist Chefsekretärin. Das bedeutet viel Verantwortung, häufig hat sie erst spät Feierabend, und außerdem muss sie repräsentabel ausschauen. Monika hat aber ein Laster: Sie nascht gern. Besonders, wenn sie viel Arbeit hatte oder ihr Chef ihr Stress gemacht hat, greift sie gern zu Pralinen.

Wie jedes Menschenkind weiß, sind zu viele Naschereien nicht gesund. Monika weiß das auch, und jedes Mal, wenn sie sich hat hinreißen lassen, Pralinen zu essen, ärgert sie sich darüber. Dann ist sie traurig. „Ich habe einfach keine Disziplin, kein Durchhaltevermögen“, hat sie neulich in der Beratungsstunde geklagt. „Aber Monika“, habe ich gesagt, „das stimmt doch gar nicht. Guck mal, was du alles leistest! Du bist Chefsekretärin. Dein Boss zählt auf dich. Du hast das ganze Büro im Griff. Und du hast so viel Arbeit! Dass du da hin und wieder mal ein paar Pralinen isst, das macht dich doch nicht zu einer Versagerin! Das ist doch nur menschlich!“ Ja, das stimme schon, aber sie habe nun mal etwa zehn Kilo zu viel auf den Hüften, und das störe sie, und wie sähe das denn aus und überhaupt?

Ich meine, das sind schon zwei verschiedene Paar Hufe. Ich finde es sehr gut, dass Monika etwas für ihre Gesundheit und von mir aus auch für ihr Aussehen tun möchte (obschon sie das nicht mal nötig hätte). Das soll sie auch, und sicherlich ist es nicht ratsam, jeden Abend ein halbes Kilo Pralinen zu futtern. Aber das tut sie ja auch gar nicht. Hin und wieder ist es erlaubt, und es gibt einfach so Tage, an denen man schon so viel Disziplin an den Tag legen musste, dass es beinahe übermenschlich wäre, wenn man dann auch noch am Abend ein strenges Diätprogramm durchhalten würde. Insofern tut Monika nichts Schlimmes oder gar Unrechtes, wenn sie zur Pralinenschachtel greift.

Besser wäre meiner Ansicht nach, wenn sich Monika einen Plan zurechtlegt, der aus Sport und gesundem Essen besteht. Und wenn dann mal eine Pralinenschachtel dran glauben muss, ist das kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Das ist doch immer noch besser, als wenn die Kollegin oder der Azubi dran glauben muss, weil Monika unausgeglichen ist. So ein Pralinchen kann nämlich durchaus dem Stressabbau dienen. Alles in Maßen!

So, jetzt muss ich aber weiter grasen. Wir sehen uns! Eure Bernadette

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