Ingolf unter Druck

Guten Abend,

der Trend geht ja heutzutage zum Zweitjob, den man abends oder am Wochenende ausübt. Nicht nur, dass viele Menschen mit ihrem Lohn nicht mehr auskommen, es gibt auch durchaus jede Menge Leute mit guten Ideen, die sie in nebenberuflicher Selbständigkeit an den Mann oder an die Frau bringen wollen. Jemand, der darin Talent hat, ist Ingolf. Ingolf hat schon ziemlich lange im Geschäftskundenbereich einer Bank gearbeitet und hat dadurch recht viele Firmen von innen kennengelernt. Er meint, dass er mit dem Blick von außen manchmal besser sehen könne, wo es in den Firmenstrukturen hakt. Dadurch kam er auf die Idee, eine kleine Unternehmensberatung zu eröffnen. Ich finde, das ist eine großartige Idee! Sozusagen „das bunte Schaf – Businessmodell“.

Alles klingt prima, finde ich, und doch saß Ingolf neulich in meiner Praxis. „Bernadette, ich glaube, ich bin eigentlich gar nicht geeignet für diese Tätigkeit“, meinte er verzweifelt. Ja, warum denn nicht, wollte ich wissen. „Ach, ich weiß nicht. Es gibt doch so viele größere und renommierte Unternehmensberatungen, und dann komme ich und sage „ja, ich könnte Sie vielleicht auch mal beraten“. Das klingt doch lächerlich!“ „Aber wieso denn? Ich finde, das klingt ganz und gar nicht lächerlich. Wie kommst du denn an deine Kunden?“, bohrte ich nach. „Meistens durch persönliche Kontakte. Ich gehöre nicht zu denjenigen, die mit großer Werbestrategie auf den Marktplatz gehen und massenweise Aufträge absahnen. Abgesehen davon würde ich das ja auch gar nicht schaffen, denn schließlich arbeite ich ja tagsüber noch in der Bank.“

Also, ich finde ja, dass alles recht schlüssig klingt. Er hat einige wenige Kunden, die er aus persönlichen Kontakten kennt. Für mehr hat er sowieso keine Zeit. Wo also ist das Problem? „Hin und wieder sagt sogar mal jemand ab, von dem ich dachte, dass wir auf jeden Fall zusammenarbeiten. Dann schäme ich mich in Grund und Boden.“ Oh, das ist aber nicht gut. „Warum schämst du dich denn dann?“ „Es ist doch hochnotpeinlich, wenn ich mich erst irgendwo anbiete und dann doch nicht genommen werde. Oder?“

Nein, Ingolf, das ist es nicht. Mal ehrlich, wir sind ja hier unter uns: Glaubt ihr wirklich, dass jeder, dem ich von meinem Beratungs- oder Lerncoachingangebot erzähle, am Ende mein Kunde wird? Mitnichten! So viele Menschen hören sich an, was ich im Repertoire habe, sagen „ja, klingt gut“, und von denen höre ich dann nie wieder etwas. Aber das ist vollkommen normal! So geht es doch jedem, der etwas zu verkaufen hat. Wie oft geht ihr durch ein Bekleidungsgeschäft und sagt „nur mal gucken“ zur Verkäuferin? Wenn die nun dauernd denken würde „ich bin eine schlechte Verkäuferin“ oder „ich habe schlechte Ware im Angebot“, dann könnte sie den Job gleich an den Nagel hängen.

Ich meine, dass Ingolf vielmehr darauf schauen sollte, was er bislang in seinem neuen Nebenjob als Unternehmensberater geschafft hat. Gab es da etwas? „Ja, mit meiner Hilfe hat die Firma eines Freundes neulich das gesamte Buchhaltungssystem umgestellt. Er ist damit jetzt viel effizienter, sagt er“. Ich finde, das klingt toll. „Ingolf, bitte halte dir dieses Beispiel immer vor Augen, wenn du wieder zweifelst, ob du das Richtige tust. Mein Eindruck ist, dass du viel Freude an dem hast, was du da neu auf die Beine gestellt hast, mach dir nicht so viel Druck! Immerhin machst du es nebenberuflich und alleine. Insofern: Bleib dabei, solange es dir Spaß macht!“

Und das rate ich euch übrigens auch: Wenn ihr an dem zweifelt, was ihr tut, egal, ob beruflich, nebenberuflich, freiberuflich, ehrenamtlich, als Hobby oder in der Familie: Haltet euch Erfolge vor Augen! Das tut uns allen gut!
Eure Bernadette!

Diese Website verwendet technisch erforderliche Cookies, um eine bestmögliche Funktionalität zu gewährleisten. Mehr lesen

Ok