Grüezi! Ich schreibe euch heute vom Genfer See aus dem Urlaub. Alles könnte so schön sein, wenn nicht Familie Zankapfel aus Dortmund in der Ferienanlage wäre. Ich wollte ja eigentlich mal Pause machen vom Coaching, aber als Frau Zankapfel gestern mal wieder heulend am hoteleigenen Strand saß, konnte ich mit meinem Helfersyndrom einfach nicht anders und habe mich der Ärmsten angenommen.
Michaela heißt sie, ist 48 Jahre alt und Mutter von zwei Pubertierchen, Leon, 17, und Elena, 15. Reinhard, ihr Mann, ist Abteilungsleiter und im Alltag selten zuhause. Es sollte der perfekte Familienurlaub werden, wahrscheinlich der letzte mit allen Vieren, bevor die Kids flügge werden. Bloß, dass sie das im Prinzip schon sind. Michaela wollte Berge, die Teenies wollten Strand, und Reinhard wollte landestypisches Essen und ansonsten seine Ruhe. Lange hatte Michaela in Reisekatalogen geblättert, bis ihr die Idee kam: eine Hotelanlage am Genfer See. „Da haben wir dann alles: Berge, Strand und die Schweizer sind doch ein ruhiges Volk mit gutem Essen!“.
Alle haben mehr oder weniger begeistert zugestimmt. Leon wäre eh lieber mit seinen Kumpels an die Ostsee gefahren. Elena hätte gern eine Freundin mitgenommen, dagegen war Reinhard aber strikt. Und Michaela hatte die Vorstellung, dass die liebe Familie nun jeden Tag etwas Schönes gemeinsames unternimmt, vom Frühstück wie in der Fernsehwerbung über Ausflüge in die Berge bis zum abendlichen Strandspaziergang.
Von wegen! Leon steht vor elf sowieso nicht auf. Elena schreibt den ganzen Tag nur WhatsApp-Nachrichten mit ihren Freundinnen und postet auf Instagram „total öde“ Fotos aus der Schweiz. Reinhard sagt eigentlich gar nichts, und wenn, dann nölt er rum, dass Michaela doch mal Ruhe geben soll. „Das ist ja nicht zum Aushalten, dein gluckenhaftes Verhalten“. Abends, wenn es eigentlich gemütlich werden könnte „lasst uns doch mal Mensch-ärgere-dich-nicht spielen“, verschwinden Leon und Elena, die vorher zwei Stunden das Hotelbadezimmer blockiert hat, an die Strandbar. „Ich will nach Hause! Meine Familie ist eine einzige Katastrophe“, schluchzt Mama.
„Mein Urlaub ist auch eine Katastrophe, ja fahrt bitte alle nach Hause!“, denke ich mir, denn die Zankapfels haben den Balkon direkt neben meinem. Aber das sage ich natürlich nicht. Stattdessen gehe ich mit Michaela einen Tee trinken und zeige ihr die Ausflugsprospekte. „Fahr doch mal mit der Bahn nach Genf. Geh ins Museum und bummle durch die Geschäfte. Deine Kinder sind alt genug, um den Tag über alleine klarzukommen. Und wenn du abends zurückkommst, freut sich dein Reinhard auf dich, denn dann hat er genug Ruhe gehabt. Und wenn du dann dein neues Strandkleid anziehst, geht er bestimmt ganz stolz mit „seiner Michaela“ die Promenade entlang. Was meinst du?“
So, das wäre geklärt. Hoffentlich hält die Ruhe nun nebenan an. Denn auch ich, euer buntes Schaf, brauche jetzt Erholung, genau wie die Zankapfels! Und erholt ihr euch auch gut! Lasst mal Fünfe gerade sein und den lieben Gott einen guten Mann!
Bis bald nach der Sommerpause!
Eure Bernadette