Elisabeth hat Heimweh

Moin! Viele Grüße von meiner Schafweide in Haren! Ich schreibe euch immer von einer der Schafweiden, die wir als Herde abgrasen, denn das ist ja unsere Aufgabe als Schafe. Wir wechseln dafür zwar die Weiden, aber wir bleiben immer im Umkreis von Haren. Das ist natürlich sehr wichtig für mich, damit ich meinen Nebenjob als buntes Beratungsschaf weiter ausüben kann.

Ehrlich gestanden hänge ich auch ziemlich an meiner Scholle. Es gibt Leute, die sind mehr oder weniger heimatverbunden als andere, und manchmal gibt es auch einfach Notwendigkeiten, sich vielleicht doch einmal eine etwas weiter entfernte Weide zu suchen. Dies ging Elisabeth mit ihrer Familie so. Ihr Mann hatte ein tolles Jobangebot im Allgäu gefunden! Im Allgäu! Mögen die Weiden da auch noch so viel saftiger sein als hier im Emsland, aber mich würden da keine zehn Böcke hinkriegen, außer im Urlaub. Aber Elisabeth hatte nachgegeben, und so lebt sie nun mit ihrer Familie, zu der außerdem noch zwei Kinder gehören, in Bayern.

Die Kinder finden es auch ganz toll dort! Ihr Mann findet es ganz toll dort! Alle finden es ganz toll dort – nur Elisabeth nicht. Sie mag nicht im Allgäu leben. Dabei hat sie es nicht einmal so schlecht getroffen. Sogar in ihrem Beruf kann sie dort arbeiten. Aber sie vermisst nun einmal ihre alten Kollegen, ihre Freunde, und überhaupt ist sie eben „nordisch by nature“. Die einzige Freude, die sie hat, sind die seltenen Besuche in der alten Heimat und die noch selteneren Besuche von Freunden in Bayern.

So sehr ich als erdverwachsenes Schaf sie verstehe, so sehr sehe ich aber auch, dass dieses Festhalten am Alten sie zugrunde richten wird. Letztlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie kehrt dem Allgäu den Rücken, mit eventuellen Konsequenzen ihrem Mann und vielleicht sogar den Kindern gegenüber, oder sie öffnet sich dem neuen Wohnort. Ist wirklich alles so schrecklich dort „unten“? Ich habe mir sagen lassen, dass es dort recht hübsch ist. Elisabeth könnte neue Interessen entwickeln, neue Menschen kennenlernen. Es ist immerhin einen Versuch wert, was meint ihr? Ich möchte ihr gerne dabei helfen, die neue Heimat aus einer anderen Perspektive zu betrachten, und ihr so die Chance geben, der neuen Situation etwas Positives abzugewinnen.

Und ich werde mal mit Gustav reden. Vielleicht sollten wir uns auch einmal eine ganz neue Weide suchen. Ach ne, geht ja nicht, ihr braucht mich ja hier. Also, bis dann, eure Bernadette!

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