Hallo Leute,
mal unter uns: Wer kennt sie nicht, diese Menschen, die seit Jahr und Tag dasselbe Problem haben, die einem immer wieder mit demselben Dilemma in den Ohren liegen und denen man versucht, mit gutem Zureden, Zuhören, Ratschlägen und sogar praktischer Hilfe zur Seite zu stehen, die aber an ihrem Verhalten nichts ändern? Ich glaube, jeder hat mindestens einen derartigen Menschen im Bekanntenkreis.
Bärbel ist eine Klientin von mir, und nein, Bärbel ist nicht diejenige, die seit Jahren mit demselben Problem zu mir kommt, sondern sie hat das Problem, dass ihre Freundin Sonja permanent dieselbe Schallplatte auflegt und sie einfach nicht mehr weiterweiß.
„Sonja wird von ihrem Mann in aller Öffentlichkeit gedemütigt. Er macht sie runter, schikaniert sie, macht sie vor den Kindern schlecht. Sonja leidet darunter sehr, und ich versuche immer wieder, sie aufzubauen. Allmählich bin ich es leid, und ich habe auch das Gefühl, dass es ihr letztlich gar nicht hilft, sondern ihr allenfalls die Kraft gibt, die nächsten zwei, drei Wochen zu überstehen, und danach ist alles wieder so wie zuvor. Andererseits mag ich sie nicht im Stich lassen, weil ich doch merke, wie schlecht es ihr geht“, so schilderte mir Bärbel die Situation.
„Hast du schon einmal etwas von Co-Abhängigkeit gehört? Das ist, wenn zum Beispiel die Ehefrau eines Alkoholikers derart in seine Alkoholabhängigkeit verstrickt ist, dass sie dem Arbeitgeber gegenüber lügt „er hat Grippe“ oder so, damit seine Fehlzeiten nicht auffallen, und ähnliche Dinge. Gar nicht so unterschiedlich ist es bei dir und Sonja. Du bist dadurch, dass du dir diese ‚Szenen einer Ehe‘ immer wieder und über Jahre hinweg anhörst, ihre Stütze. Das ist zwar sehr lieb von dir gemeint, aber du stützt damit letzten Endes auch ihre Ehe, und zwar so, wie sie ist. Klingt erstmal völlig bescheuert, ist aber so“, erläuterte ich ihr die psychologischen Hintergründe.
„Ja, das habe ich mir manchmal so ähnlich schon gedacht, aber was soll ich stattdessen machen? Sie im Stich lassen? Das fände ich mies. Sie hat kaum jemanden außer mir“, zweifelte Bärbel.
„Nein, das sollst du auch nicht. Du musst ihr klarmachen, dass du weiterhin für sie da bist, aber nur, wenn sie bereit ist, an ihrer Situation wirklich etwas zu ändern. Mach ihr klar, dass ihr euch im Kreis dreht, und das du dazu nicht mehr bereit bist“, forderte ich sie auf.
„Gut, das könnte ich tun, aber ich weiß jetzt schon, was da kommt: ‚Ja, ich möchte ja gern was ändern, aber ich weiß nicht, was‘. Das hatten wir alles schon“, seufzte Bärbel.
„Sag ihr so etwas: ‚Wenn du eigene Ideen hast, würde ich mich freuen, sie mit dir zu besprechen‘. Denn nur sie selbst kann ihre Situation ändern. Das ist das, was du ihr klarmachen musst. Man nennt das Hilfe zur Selbsthilfe. Ist sie dazu nicht bereit, tu dir das nicht weiter an. Denn ihr würdet dieses Gespräch noch in hundert Jahren führen. Wenn deine Freundin nicht bereit ist, selber etwas zu ändern, kannst du dir Fransen ans Maul reden!“
Ich wünsche Bärbel, dass sie diese Konsequenz aufbringt, denn das erfordert natürlich eine Änderung ihrer eigenen inneren Haltung. Mit Egoismus hat dies aber nichts zu tun, sondern nur mit Selbstschutz und Abgrenzung.
Ich hoffe, ich konnte mich verständlich ausdrücken?
Sonst fragt mich nochmal!
Eure Bernadette